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Mehr Häuptlinge, weniger Indianer

Plädoyer für ein zeitgemäßes Agenturmodell – Dirk Gerasch fordert einen Paradigmenwechsel in der Agenturbranche.

Die Zeit ist reif für ein neues Agenturmodell. Wie dieses aussehen kann und welche Auswirkungen dieses auf Mitarbeiter, Jobprofile und Kundenbetreuung hat, erläutert er in einem Gastbeitrag für HORIZONT online.

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Wie ein zeitgemäßes Agenturmodell aussehen kann

Agenturen leiden: Battle for Talents, erhöhte technische und inhaltliche Anforderungen sowie Veränderungen des Marktes stellen Agenturen vor große Herausforderungen. Gegen die Konkurrenz von in den Markt drängenden Unternehmensberatungen und die fortschreitende Digitalisierung kann man sich rüsten.

Personalprobleme sind ebenfalls lösbar – innovative HR-Strategien und eine klare strukturelle Agenturorganisation helfen dabei. Dirk Gerasch, Inhaber und Geschäftsführer der Agentur Gerasch Communication, erläutert in einem Gastbeitrag für HORIZONT Online, wie für ihn ein zeitgemäßes Agenturmodell aussieht und welche Auswirkungen dieses auf Mitarbeiter, Jobprofile sowie Kundenbetreuung hat.

Das klassische Agenturmodell hat sich seit den Anfängen der Werbung kaum verändert: Aufgaben werden nach unten delegiert, Ergebnisse in der Chefetage kontrolliert und bewertet. Damit macht man sich nicht nur extrem abhängig von der Qualität der wenigen Führungskräfte in Schlüsselpositionen. Sondern man frustriert auch schnell Talente, die nur nach Anweisung arbeiten dürfen. Diese wechseln erfahrungsgemäß dann häufiger den Arbeitgeber.

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Vor ein paar Jahrzehnten…

…war dies noch ein solide funktionierendes Modell: Man verspricht den jungen Einsteigern einen coolen Job und lässt sie gehen, bevor sie teuer werden. Mit Blick auf die immer dünner werdenden Bewerberzahlen, deren veränderte Interessen und Lebensmodelle ist dies aber kein guter Weg in die Zukunft.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass auch junge Leute Verantwortung übernehmen wollen. Die Suche nach Sinnhaftigkeit, die insbesondere der Generation Y (und folgenden) zugesprochen wird, braucht genau diese Verantwortung. In einem entsprechenden Umfeld und Führungsklima entwickelt sich dadurch ein sehr viel attraktiveres Arbeitsklima.

„Natürliche Autorität bedeutet automatisch Führung durch Kompetenz. Und diese Autorität stellt dann auch kein Mitarbeiter in Frage.“

Paradigmenwechsel

Hier muss in der Agenturbranche ein Paradigmenwechsel erfolgen. Eine Alternative zu den herkömmlichen Modellen ist eine Struktur mit verhältsnismäßig vielen Häuptlingen, die ihr jeweiliges Spezialgebiet führen. Diese Führungskräfte stehen für klar definierte Kompetenzen und damit für eine fachliche Führungsverantwortung. Das System bietet einen erheblichen Mehrwert für Agenturen und für deren Kunden: Kernkompetenzen werden mit gestandenen Kommunikationsprofis abgedeckt, so dass die Kunden immer einen kompetenten Ansprechpartner haben – anstelle eines Anfängers.

Die außergewöhnliche Struktur mit vielen Häuptlingen und nur wenigen Indianern stellt das übliche Organigramm der klassischen Pyramidenstruktur auf den Kopf. Es ermöglicht, mit wenigen Mitarbeitern auch große Etats zu betreuen und beispielsweise Leadagentur eines internationalen Konzerns zu sein.

Sofort spürbar

Für die Mitarbeiter wird die Veränderung sofort spürbar: Verantwortung wird übertragen, Teamarbeit gefördert, Belastung von wenigen Schultern auf mehrere verteilt und das fundierte Wissen in der Agentur verankert. Das Arbeiten verändert sich, wird selbstbestimmter und die jeweilige Tätigkeit für jeden einzelnen Mitarbeiter sinnvoller.

Dieser moderne Ansatz wirkt nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Denn Kunden interessiert es schon lange nicht mehr, wie sich eine Agentur intern organisiert. Vielmehr ist wichtig, welches Know-how agenturseitig verfügbar ist. Im Zeitalter der digitalen Transformation genießt das alte ‚One face to the customer-Prinzip‘ keine Glaubwürdigkeit mehr – niemand kann heute alles wissen. Die meistgestellte Frage in Pitch-Situationen lautet derzeit: „Ist Ihr Pitch-Team auch das Team, das später für uns arbeitet?“ Die über Jahrzehnte in der Werbeindustrie gepflegte Vorgehensweise, externe Kreativ-Teams als Ideenlieferanten zu nutzen und die Handarbeit in der Agentur zu erledigen, funktioniert damit nicht mehr.

Der Ansatz, mehr Führungskräfte zu beschäftigen, ist die Lösung für dieses nachvollziehbare Bedürfnis des direkten Austauschs mit dem zuständigen Kompetenzträger. Allerdings gliedert sich diese Struktur nicht nach Funktionen wie Creative- oder Etat-Direktor, sondern nach fachlicher Expertise in Schlüsseldisziplinen wie beispielsweise Brand Development, Brand Management, Dialogmarketing, Interactive Design, Corporate Design, Live Communication, Public Relations oder Employer Branding.

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Der Vorteil liegt auf der Hand

Der Kunde erfährt während der Konzeptionsphase in allen für ihn relevanten Disziplinen kompetente 1:1-Betreuung durch die Person, die auch für die Konzeption verantwortlich zeichnet. Als positiven Nebeneffekt hat er dabei das Gefühl, ehrliches Geld für ehrliche Leistung zu bezahlen und nicht an den Wasserkopf eines Agenturkonzerns. Als Geschäftsführer ist man im Alltag eher ein Häuptling unter anderen Häuptlingen, sind doch Hierarchien in diesem Agenturmodell weitestgehend abgeschafft. Natürlich muss ein guter Chef manchmal ‚Kaiser unter Königen‘ sein und trifft beispielsweise Personal- entscheidungen oder strategische Entscheidungen wie in herkömmlichen Agenturstrukturen. Aber natürliche Autorität bedeutet automatisch Führung durch Kompetenz. Und diese Autorität stellt dann auch kein Mitarbeiter in Frage.

Gastbeitrag: www.horizont.net